Gemeinde

Gemeinde Bischoffen

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    Eingebettet in eine Landschaft mit grünen Wäldern, abwechslungsreichen Tälern und sanften Hügeln liegt die Großgemeinde Bischoffen mit ihren fünf Ortsteilen. Eine Gemeinde, die wie viele andere in diesem Raum zwischen hessischem Hinterland und Lahn-Dill-Kreis angesiedelt ist, die aber ihre eigene Geschichte hat. Ein unverwechselbares Merkmal hat sie ohnehin allen anderen Gemeinden des Lahn-Dill-Kreises voraus, ein Merkmal, das sich auf die Gebietsreform (1972-1974) zurückführen lässt.

    Die Randlage der Kommune brachte es mit sich, dass sie immer wieder verschiedenen Landkreisen zugeteilt wurde. Zunächst gehörten die Bürger dem Kreis Biedenkopf an, wo man zwar auch an der Peripherie angesiedelt war, sich aber weitgehend wohl fühlte. Es folgte die Zugehörigkeit zum Kreis Wetzlar und danach die Integration in den Großkreis Lahn-Dill. Heute hat die Gemeinde Bischoffen ihren Platz im verkleinerten Lahn-Dill-Kreis, hat längst gelernt, das Beste aus ihrer Randlage zu machen.

    1974

    Das Jahr 1974: Weitreichende politische Veränderungen standen in Hessen wie zuvor schon in anderen Bundesländern an. Die SPD/FDP-Regierung unter Ministerpräsident Albert Osswald hatte eine Gebietsreform in Gang gesetzt, die landauf und landab zu heftigem Rumoren führte. Benachbarte Dörfer sollten sich zu sogenannten Großgemeinden zusammenschließen, Städte die Dörfer an ihrer Peripherie eingemeinden; selbst die Auflösung kleiner Landkreise und die Bildung größerer stand an.

    Während sich andernorts Stadtväter über den „Gewinn" etlicher Randgemeinden freuten, gab es auf dem flachen Land eine breite Ablehnungsfront gegen den „von oben" verordneten Zusammenschluss. Ein Dorf ohne Rathaus und ohne den meist ehrenamtlichen Bürgermeister als direkten Ansprechpartner schien nicht vorstellbar zu sein. Zu unterschiedlich waren auch oft die regionalen Anbindungen und Besonderheiten benachbarter Dörfer. Und dann gab es ja auch noch die Rivalitäten zwischen den zum Zusammenschluss bestimmten Dörfern: Wo wird die Verwaltung der Gemeinde ihren Sitz haben? Wo soll die Schule gebaut werden? Wo wird der Kindergarten eingerichtet? Wie können wir unsere historisch gewachsene Eigenständigkeit erhalten? Und wie bitte schön sieht es mit dem Namen für die neue Gemeinde aus?

    Das waren auch genau die Fragen, die in Bischoffen, Niederweidbach, Oberweidbach, Wilsbach und nicht ganz so heftig in Roßbach diskutiert wurden. Nur mit dem Unterschied, dass die Mittelpunktschule schon in Niederweidbach gebaut worden war und Grundschüler aus sechs umliegenden Ortschaften aufgenommen hatte.

    Gemeindereform als freiwilliger Zusammenschluss

    Die Randlage der fünf Dörfer im Schnittpunkt von damals vier Landkreisen hatte Entwicklungen zugelassen, die es sehr schwierig machten, eine gemeinsame Identität zu finden. So waren die Fünf aus dem südlichen Hinterland auf vier verschiedene Zentren und Landkreise ausgerichtet. Die Bischoffener zog es aarabwärts nach Herborn und in das Dilltal, wo viele schon immer Arbeit und Brot bekommen hatten. Niederweidbach und Roßbach waren mehr nach Wetzlar orientiert, Oberweidbach nach Gladenbach und Wilsbach nach Gießen.

    Vor diesem Hintergrund begann 1971 die noch selbständige Gemeinde Bischoffen Fühler auszustrecken zur Dillkreisgemeinde Offenbach. Die Nachbargemeinde wollte sich freiwillig mit Bicken und Ballersbach zur Gemeinde Mittenaar fusionieren, um in den Genuss erhöhter Schlüsselzuweisungen zu kommen. Die wollten sich natürlich auch die Bischoffener nicht entgehen lassen. Deshalb war hier wie überall im Kreis Biedenkopf und darüber hinaus hektische Betriebsamkeit angesagt, denn die hessische Landesregierung hatte als Stichtag für den freiwilligen Zusammenschluss den 31.12.1971 angesetzt. Sicherlich hat auch der reibungslose freiwillige Zusammenschluss zwischen Niederweidbach und Roßbach, der sich damals schon abzeichnete und 1972 vollzogen wurde, den Bischoffener Gemeindevätern ein Vorbildsignal gegeben.

    Zum Prüfstein einer möglichen Verbindung zwischen Bischoffen und Offenbach geriet der beabsichtigte Schulbau zwischen beiden Ortschaften. Denn so wenig die Offenbacher ihre Kinder in die Ballersbacher Schule schicken wollten, so wenig wollten die Bischoffener die Niederweidbacher Schule durch ihren eigenen Nachwuchs stärken. Schließlich fühlten sich die Bischoffener übergangen bei der Festlegung und Ausrichtung des Schulstandortes Niederweidbach, mehr als 10 Jahre zuvor.

    Doch es zeigte sich schnell, dass ein gemeinsames Schulprojekt allein keine Klammer für gedeihliche Zusammenarbeit sein kann. Als man sich noch nicht einmal auf einen Standort einigen konnte, war der Flirt zwischen Bischoffen und Offenbach schnell beendet, ehe es zur „Eheschließung" mit Mittenaar kommen konnte.   Das war auch ganz im Sinne des Kreistages und des Kreisausschusses von Biedenkopf sowie der hessischen Landesregierung. Nach Vorgaben von Landrat Dr. Siegfried Sorge hatte Innenminister Bielefeld einen sogenannten Modellplan zur Gemeindereform vorgelegt, der Bischoffen, Niederweidbach, Roßbach, Oberweidbach und Wilsbach zum Zusammenschluss bestimmte. Daran konnte auch Kreistagsabgeordneter Otto Bieber (CDU) nichts ändern, der zusammen mit Ernst Sommer (SPD) die Interessen der Gemeinde Bischoffen im Kreistag des Hinterlandes vertrat. Als Otto Bieber 1971 in Biedenkopf – jedoch ohne Erfolg – die Eingliederung seines Heimatortes in den Dillkreis von Landrat Dr. Rehmann beantragte, wurde ihm von Landrat Dr. Sorge zur Begründung der Ablehnung mitgeteilt: „Wenn Bischoffen ausschert, wird die Gemeindegruppe Niederweidbach zu klein, um eine lebensfähige Großgemeinde zu bilden."

    Damit zeichnete sich ab, dass es für Niederweidbach, Roßbach, Oberweidbach und Wilsbach eine gemeinsame Zukunft nur zusammen mit Bischoffen geben würde. Die Modellplanung des Landes begründet dies in weiser Voraussicht auch mit der damals schon erkennbaren Siedlungsentwicklung von Bischoffen in Richtung Niederweidbach.

    Noch vor der Gebietsreform: Roßbach schließt sich Niederweidbach an

    In Roßbach war 1971 das Werben der hessischen Landesregierung nach freiwilligen Zusammenschlüssen von Gemeinden, die durch höhere Schlüsselzuweisungen aus Landesmitteln belohnt werden sollten, nicht ungehört geblieben. Zumal der gemeindliche Haushalt in rote Zahlen abgerutscht war, weil die Waldwirtschaft nicht mehr genug abwarf. Deswegen richteten die Roßbacher Bürger ihren Blick nach Westen. Dort, im benachbarten Niederweidbach, gab es schon damals größere Industrieansiedlungen, die für ein regelmäßiges Gewerbesteueraufkommen sorgten.

    Wohl nach dem richtig erkannten Motto „Zusammen sind wir stärker!" wurde zwischen den beiden Dörfern ein zügiger Zusammenschluss verabredet. Zur Kommunalwahl am 22.10.1972 legte die Versammlung der Roßbacher eine Bürgerliste mit Volksvertretern fest, die in der neuen Gemeinde die Interessen des kleineren Ortsteils vertreten sollten. Listenanführer Karl Abel wurde dann auch nach der Gemeindewahl 1. Beigeordneter und damit Stellvertreter des Niederweidbacher Bürgermeisters Walter Rink.

    Sozusagen als Mitgift brachte Roßbach rund 70.000,00 DM aus dem Verkaufserlös des alten Forsthauses mit in den gemeinsamen Haushalt der zusammengeschlossenen Gemeinde Niederweidbach/Roßbach ein. Zur Freude des kleinen Ortsteils floss dieser Betrag „gut verzinst" wieder zurück und zwar in die Wasserversorgung. Damit wurde der Hochbehälter in Roßbach gebaut.

    Veränderungen durch die Gebietsreform in Mittelhessen

    142 Jahre und 24 Tage lang, bis zum 01.07.1974, existierte der Kreis Biedenkopf, an dessen südlichem Rand die Ortschaften Bischoffen, Niederweidbach, Roßbach, Oberweidbach und Wilsbach lagen. Als Jahre vor der Gebietsreform erstmalig darüber diskutiert wurde, das „Hessische Hinterland" mit dem Landkreis Marburg und der damals noch kreisfreien Stadt Marburg zum Großkreis Marburg-Biedenkopf zu verschmelzen, wollten die fünf Dörfer diesen Schritt nicht mitvollziehen. Zur Kreisstadt Marburg gab es keinen Bezug, dafür war sie einfach zu weit weg. Stattdessen begann die Suche nach einer neuen Heimat, die sich zuweilen sehr konfus darstellte und die fünf Dörfer im Einzugsbereich der Aar gemeinsam noch in drei Landkreise bringen sollte.

    Die erste Station nach dem Zusammenfügen der Großgemeinde Bischoffen zum 01.07.1974 war der Altkreis Wetzlar. Aber nur für kurze Zeit, denn die neue Gemeinde geriet in den Strudel der Retortenstadt Lahn.

    Für viele ist noch heute die Erinnerung an dieses verwaltungspolitische Abenteuer ein Alptraum. Da hatte nach jahrelangen Diskussionen die hessische Landesregierung durchgesetzt, dass ab dem 01.01.1977 Gießen und Wetzlar ihre ausgeprägte Eigenständigkeit aufgeben und sich zur Stadt Lahn zusammenschließen mussten. Um zu dieser künstlichen Stadt ein adäquates Gegengewicht zu schaffen, wurde der Großkreis Lahn-Dill geschaffen aus den Landkreisen Wetzlar, Gießen und dem Dillkreis. Ursprünglich sollte dieser Umlandkreis zur Stadt Lahn auch Lahn-Kreis heißen und noch Teile des Oberlahnkreises mit der Stadt Weilburg beinhalten. Doch die wurden sinnvoller Weise dem Kreis Limburg zugeordnet.

    Die Großgemeinde Bischoffen war jedoch bis zur Auflösung der Stadt Lahn und des Großkreises Lahn-Dill am 31.07.1979 hier eingegliedert.

    Zur relativ schnellen Auflösung kam es, weil eine breite Ablehnungsfront in der Bevölkerung, die in Wetzlar besonders stark war, die bürokratischen Auswüchse bekämpfte. Der Protest wurde auch in der Landtagswahl von 1974 und der Kommunalwahl von 1977 deutlich und wurde von der SPD/FDP-Koalition unter Ministerpräsident Holger Börner verstanden.

    Der Fairness wegen sollte der richtige Ansatz für diese gigantische Verschmelzung nicht unerwähnt bleiben. Denn viele der Befürworter wollten einfach nur der mittelhessischen Region bessere Entwicklungsmöglichkeiten verschaffen. Damit sollte es für Mittelhessen möglich sein, sich kraftvoller in die Konkurrenz mit Süd- und Nordhessen einzubringen. Doch wie es oft so geht: Die beste Absicht nützt nichts, wenn die Ausführung so gigantisch überzogen und „von oben" gegen den erklärten Willen der Bevölkerung durchgeboxt wird.

    Mit Datum des 01.08.1979 erhielten Gießen und Wetzlar wieder ihre Selbständigkeit zurück. Und der Großkreis Lahn-Dill wurde durch Ausgliederung des Landkreises Gießen zu unserem heutigen Lahn-Dill-Kreis verkleinert. Damit hatte die Gemeinde Bischoffen endlich ihre Heimat gefunden.

    Text (auch auszugsweise): © Ute Gerst "20 Jahre Gemeinde Bischoffen 1974-1994"